Mit „Warum erst so spät“ erzählt Helen Henckel sprachlich virtuos von den Wellengängen der späten Liebe eines ungleichen Paares.
"Auf einer Baustelle kreuzen sich unsere Wege (…). Als Dr. Lokalexperte für Immobilien in der fremden Großstadt ist er mir als Dr. Klientin von einem gemeinsamen Geschäftsfreund vermittelt worden. Die Lebensdaten sind gegenseitig bekannt, meine aus dem Kaufvertrag, seine von Google. Ich zähle 68 und er 58 Jahre. Lebensgeschichtliche Differenz, ja. Optische, energetische, nein. Es geht um ein Geschäft. Nur das. Wirklich? Er lädt ein. Zu Fortsetzungsgesprächen. (…) ,Mann, der wirbt ja um dich!' Ich fasse es nicht! Kann er keine Jahreszahlen lesen?! Schnelle Wortwechsel und Gedankensprünge per E-Mail und WhatsApp, mit dem Du kommen neue Taufnamen, von ihm: Bella und Bero."
Die Beziehung zwischen Bella und Bero entwickelt sich parallel über digitale und analoge Kanäle, hat aber beträchtliche Hürden zu bewältigen, da Bero alleinerziehend für seine konkurrierende Teenager-Tochter Kaya verantwortlich ist, mit der Bella in einer Art Notfall-WG eine Bindung aufzubauen versucht. Pandemische Enge und Flucht in ferne Länder gehören ebenso zum Rhythmus dieser Erzählung wie das Wechselspiel zwischen genussvollem Miteinander und Distanzierung, zwischen Sprachlosigkeit und Reflexion.